Architekten bauen Holzhochhäuser! Alter Baustoff - neu entdeckt.

Das Ikea-Prinzip

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Holzhochhäuser 

In Berlin wurde 2008 das erste Hochhaus Europas aus einer Mischung aus Holz und Beton mit sieben Etagen gebaut.

Auch in London wird inzwischen immer häufiger Holz zusammen mit Beton genutzt, so etwa im neunstöckigen Stadthaus, wo das Erdgeschoss aus Beton ist. Im norwegischen Bergen wird derzeit das 15-stöckige Prestigeholz-hochhaus Treet errichtet.

In Wien soll ein 24-Etagen-Hochhaus in Holzbauweise bis 2018 entstehen. Der achtstöckige LifeCycle Tower im österreichischen Dornbirn besteht aus Holz und Beton.

Im waldreichen Kanada plant der Architekt Michael Green das bislang wohl größte Projekt. In Vancouver sollen 30 Stockwerken mit verleimten Schichtholzbrettern entstehen.

Architekten bauen Holzhochhäuser! Alter Baustoff - neu entdeckt
Ganz schön viel Holz in der Hüttn Foto: Folkheim

 Das waldreiche Schweden gehört zu den Pionieren im Bau von Holzhochhäusern. Das Material soll erhebliche wirtschaftliche und ökologische Vorteile bieten.  Von André Anwar


Hochhaus und Holzhaus, diese Begriffe scheinen sich zu widersprechen. Das eine ist kalt und aus festem Beton mit Stahlträgern. Das andere atmet knarrend, aber gemütlich in idyllischer Landschaft, so die Vorstellung. Doch inzwischen widerlegen immer mehr Architekten weltweit diesen Widerspruch. Gerade im über die Hälfte mit Bäumen bedeckten Schweden hat man sich besonders frühzeitig auf die umfassende Holzbautradition des Landes zurückbesonnen, auf die Touristen vor allem in Form der dunkelroten Schwedenhütten stoßen.

Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde in Schwedens reicher Hauptstadt in Mammutprojekten fast alle damals als ärmlich und unmodern angesehenen Holzhäuser abgerissen und mit ästhetisch umstrittenen Betonklötzen ersetzt. Doch die Wohnungsbaugesellschaft Folkhem setzt nun wieder auf Holz. Und das ausschließlich. "Hier liegt die Zukunft im Bau, wirtschaftlich und ökologisch. In Schweden wird der klimaschädliche Betonbau in spätestens 15 Jahren gesetzlich eingeschränkt werden", gibt sich Folkhem-Vertriebsleiterin Sandra Frank überzeugt.

2013 und 2014 hat Folkhem im Stockholmer Außenbezirk Sundbyberg mit 13 Stockwerken die bislang weltweit höchsten klimaverträglichen Hochhäuser der Welt errichtet, die nahezu vollständig aus Holz gezimmert wurden. "Über 1500 Delegationen waren schon da", aus der ganzen Welt, sagt Frank dieser Zeitung. Vor allem aus dem deutschsprachigen Raum und China, wo ständig neue Großstädte aus dem Boden gestampft werden müssen. Folkhem will in den kommenden Jahren weitere Holzhäuser in Stockholm bauen, eines unter dem Namen Cederhusen mit 13, das zweite mit 20 Stockwerken.

Die wirtschaftlichen Vorteile sind laut Frank groß. Nach dem IKEA-Prinzip werden in einer Fabrik im kostengünstigen und waldreichen Nordschweden die Einzelmodule des Hauses komplett fertiggebaut und dann mit Lastwagen nach Stockholm gefahren. Holz ist leicht. Das erspart auch die Errichtung von kostspieliger und zeitaufwendiger Fertigungsinfrastruktur am Bauplatz. "Wir haben eine Fabrik, wo schon alle Anlagen optimiert und permanent stehen, um die Holzhochhäuser schnell zu produzieren. Das schafft auch bessere und sicherere Arbeitsplatzbedingungen". Am Bauort kommt es zu weniger Beeinträchtigungen. Für eines der Häuser in Sundbyberg brauchte Folkhem nur sieben Monate. "Ein solcher Bau mit herkömmlichen Baumaterialien dauert knapp zwei Jahre", sagt Frank. Auch das im Hausbau bis zum Wohnungsverkauf gebundene Kapital ist schneller wieder frei. Zudem schafft die Bauweise Arbeit im strukturschwachen Nordschweden.

 

Auch die ökologischen Aspekte überzeugen. "Der für Beton benötigte Zement setzt bei seiner Produktion 5,2 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes frei. Der Flugverkehr liegt bei 2,3 Prozent. Beton ist höchst klimaschädlich. Holz reduziert CO2, wenn es wächst", sagt Frank.

 

Auch der Brandschutz, der in vielen Ländern als Totschlagargument für Holzhochhäuser gilt, funktioniere gut, so Frank. Das gepresste und damit kaum anfeuernde Sauerstoffporen beinhaltende Holz brenne nicht schneller als herkömmliche Baumaterialien, sagt sie. Auch der Lärmschutz sei in Holzhäusern nicht schlechter. "Das Holz dämpft Lärm anders als Beton. Die Frequenz ist eine weichere. Viele unserer Bewohner in Sundbyberg schwärmen davon, dass es dort so ruhig sei", sagt sie.

 

"Man muss sich daran erinnern, dass die Menschheit seit Ewigkeiten mit Holz baut und erst seit rund 80 Jahren mit Beton", sagt Frank. "Ironischerweise besteht an den Architekturschulen dennoch heute großer Kenntnismangel zum Holzbau, weil Beton in den letzten Jahrzehnten so dominiert hat", betont sie.

Quelle: RP 21.01.2017